Geschichte

Geschichte

Bereits im 8. Jahrhundert wurde in Italien eine Substanz zubereitet, die man als Seife bezeichnete. Alles begann mit Holzasche und Ziegenfett, und wurde im Laufe der Jahre stetig weiter entwickelt und verbessert. Die Araber benutzten tierische Fette, doch zu Beginn des 8. Jahrhunderts wurden diese Fette durch Olivenöl ersetzt. Nur Olivenöl war in der Lage, der Seifenmasse eine feste Konsistenz und einen angenehmen Geruch für zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten zu verleihen.

Im Mittelalter (14. Jahrhundert) begann man schließlich, Seife zum Waschen zu verwenden. Der erste urkundlich erwähnte Seifensieder in Marseille war im Jahr 1371 Crescas Davin. Während der Regentschaft Ludwig XIV. wurden die besten Seifensieder nach Frankreich abgeworben. Die Nachfrage nach Seife hatte inzwischen derart zugenommen, dass man im 15. Jahrhundert begann, von der handwerklichen zur industriellen Fertigung über zu gehen. Aus allen Regionen rund um das Mittelmeer wurden nun Spezialisten angeworben, die weitaus besser ausgebildet waren als die französischen Arbeiter. Während des 30-jährigen Krieges wurde Seife aus Marseille nach ganz Frankreich geliefert, aber auch nach Amsterdam oder nach Hamburg. Marseille hat sich zur führenden mediterranen Seifenmetropole entwickelt, in den kommenden Jahren kamen Salon-de-Provence sowie Toulon dazu.

Im Jahr 1688 wurde das sog. Edikt von Colbert erlassen, das die Herstellung der Marseiller Seife durch gesetzliche Regeln festschrieb. Neben dem Kochprozess in großen Heizkesseln wurde hierin geregelt, dass ausschließlich pures Olivenöl zur Herstellung verwendet werden durfte; jegliches tierisches Öl wurde untersagt. Zusätzlich wurde festgesetzt, dass in den Monaten Juni, Juli und August nicht gearbeitet werden durfte. Bei Zuwiderhandlungen drohte eine Ausweisung aus der Provence. Mit Hilfe dieser Regelungen erwarb sich die Seife von Marseille ihr Renommee, das es nicht mehr hergeben sollte. Der florierende Export der Seife nach Nordeuropa, Großbritannien oder ins Türkische Reich war die Folge. Noch heute gilt dieses Edikt als Garantie für die zufriedene Kundschaft. Kostbare Öle, wohlriechende Essenzen, Heilkräuter und Gewürze aus der Natur gaben der Seife zunehmend auch kosmetischen Charakter. Nicht nur zur Hautreinigung, auch im Sinne der Schönheitspflege wurde Seife aus pflanzlichen und tierischen Ölen, Parfums und Naturprodukten hergestellt.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts zählte man in Marseille 30 Seifenfabriken. Durch die industrielle und koloniale Entwicklung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnte die Produktion verdoppelt werden. Der Name Marseille ist durch den Ausbau des Schriftverkehrs von nun an fest mit der Seifenproduktion verknüpft.

Das 19. Jahrhundert ist zum einen durch Fortschritte in der Hygiene, aber auch in der Technologie (Dampf, Elektrizität, Mechanisierung), Chemie und durch die Erfindung der Eisenbahn gekennzeichnet. Das 19. Jahrhundert ist ohne Zweifel das “goldene Zeitalter” der Seife von Marseille. Die Seife besteht aus 72% reinem Öl. Das berühmte Label “Extra pur 72% d’huile” taucht auf. Die südfranzösischen Städte Marseille und Salon-de-Provence florieren dank der Olivenöl- und Seifenindustrie.

Trotz weiterer Fortschritte und den Anfängen der Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die internationale Konkurrenz stark und leitet nach und nach den Niedergang der Seife von Marseille an. Die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts markieren einen Tiefpunkt der Seifenherstellung in der Region. Dies hat mehrere Gründe. Einerseits ist die Verbreitung von synthetischen Putz- und Reinigungsmitteln nicht mehr zu stoppen, andererseits macht die Erfindung und Verbreitung der Waschmaschine herkömmliche Waschprodukte wie die Seife überflüssig. Hinzu kommen der Ausbau moderner Einkaufszentren, die Ansiedlung neuer Seifenfabriken außerhalb der Provence und der Verfall des französischen Kolonialreiches.

Erst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zu einer Rückkehr zu natürlichen und ökologischen Werten. In diesen beiden Jahrzehnten erlebt die Marseiller Seife einen zweiten Frühling, doch die Bedeutung der frühren Jahre und Jahrhunderte kann sie dennoch nicht mehr erreichen. Von den ursprünglich 108 Seifenfabriken in Marseille und 14 in Salon-de-Provence im Jahre 1924 sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch insgesamt fünf übrig. Die Seife von Marseille ist seitdem ein regionales Kulturgut, deren Geschichte bewahrt werden muss. Dafür sorgen heute die Konsumenten; sie entdecken die Seife aus Marseille wieder, die dank ihrer biologischer Abbaubarkeit eine echte Alternative ist zu den herkömmlichen Wasch- und Putzmitteln der chemischen und Erdöl verarbeitenden Industrie.